Duisburger Schulen ohne Lehrer?

Wenige Bewerbungen und kaum Zusagen für Duisburger Schulen des längeren gemeinsamen Lernens

Wer mit seinem Referendariat fertig ist, den drängt es nicht in eine arme Stadt. Die aktuelle Einstellungsrunde zeigt es deutlich: Gesamt- und Sekundarschulen verlieren den Wettbewerb um Berufsanfänger*innen.
Duisburger Schulen ohne Lehrer?

Manfred Jahreis_pixelio.de

Die Auswahlkommission hat die Bewerber*innen eingeladen. Es waren nicht viele und so wartet die Kommission am Freitagmorgen auf das erste Gespräch. Während andernorts bis zu 60 Bewerbungen auf eine Sek II-Stelle vorlagen, gab es für die Schule nur sechs. Drei Bewerber*innen wollen kommen. Für die Sek I-Stelle liegen nur Bewerbungen von Seiteneinsteigern vor. Das Ergebnis am Ende des Tages: Von den eingeladenen Bewerbern kamen nur die Hälfte. Die Sek I-Stelle wird nicht besetzt werden können, da die Seiteneinsteiger nicht geeignet waren und nur eine von drei Sek II-Stellen findet eine Zusage. Die Schule wird auch im nächsten Schuljahr mit fünf Stellen im Unterhang arbeiten. Die Stundentafel wird gekürzt werden müssen.

Das bedeutet für die Kolleg*innen in der Regel Mehrarbeit durch Vertretungsunterricht, keine Möglichkeit Doppelbesetzungen in schwierigen Klassen durchzuführen, mehr Aufsichten für den Einzelnen. Für Schüler*innen kommt es zu weniger Förderung aufgrund der gekürzten Stundentafel und weniger pädagogischer Zeit durch ihre Lehrer*innen. Die Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Nicht umsonst liegen der Bezirksregierung Düsseldorf hunderte Gefährdungsanzeigen von Lehrkräften vor, die auch die Auswirkungen des Lehrkräftemangels an Duisburger Schulen beschreiben.

Erfolgreiche Schulform und hochmotivierte Kollegien

Die Gesamt- und Sekundarschulen in Duisburg stehen für ein längeres gemeinsames Lernen anders als im tradierten dreigliedrigen Schulsystem. Den Stärken der Kinder und Jugendlichen wird Zeit gegeben, sich zu entwickeln und die Förderung steht im Mittelpunkt der Schullaufbahn. Alle Kolleg*innen können von eigenen Schüler*innen zu berichten, die im Verlauf ihres Schulbesuches ihre Leistungen steigern konnten und nach dem Schulbesuch erfolgreich ihren Weg an Universität oder im Beruf gefunden haben. Referendare wissen um diese und andere Qualitäten der Gesamt- und Sekundarschulen, sie wissen auch um die hohe Authentizität der Begegnung mit den heterogenen Lerngruppen und die Solidarität im Kollegium. Warum bewerben sich dennoch so wenige an Duisburger Gesamt- und Sekundarschulen?

Mangelnde Attraktivität der Arbeitssituation

Was sind die Ursachen für die Situation in Duisburg? Lehrer*innen gehen dahin, wo die Arbeitsbedingungen stimmen. Das ist nicht allein auf die Schulen in sozialen Brennpunkten zu schieben. Hochqualifiziertes und -motiviertes Personal wird benötigt um die Kinder bestmöglich zu fördern. Die Arbeitsbedingungen sind indessen vielschichtig. Neben der allgemeinen Gehaltsfrage (Sek I & Sek II) ist es auch der Arbeitsplatz an der Schule. Der Schulträger ist in der Pflicht andere Wege als die bislang gewählten zu gehen. Marode Lehrerzimmer, veraltete ungepflegte Technik, kostenpflichtige Lehrerparkplätze sind die Spitze eines Eisberges. Keine Differenzierungsräume, Zweigstellen mit einer Entfernung von mindestens zwei Kilometern und Containerlösungen motivieren niemanden in Duisburg als Lehrer*in zu arbeiten.

Listenverfahren contra schulscharfe Auswahl?

Das Listenverfahren ist allein kein Allheilmittel. Denn ob Lehrkräfte die ihnen zugewiesenen Stellen überhaupt antreten würden, sei dahingestellt. Wir erinnern uns wie vor rund zwei Jahrzehnten Listenbewerber gezwungen werden sollten Stellen anzunehmen. Dagegen haben wir uns als Gewerkschaft erfolgreich gewandt. Weder den Beschäftigten noch der Schule ist mit Zwang geholfen.

Unbeliebte Standorte erfordern attraktive Arbeitsbedingungen

Um Bewerber*innen oder erfahrene Lehrkräfte an die unattraktiveren Standorte zu locken, müssen sie zu besonders attraktiven gemacht werden. Das nimmt das Land ebenso wie die Stadt in die Pflicht: eine an einen Sozialindex gekoppelte reduzierte Klassengröße, genügend und ausreichend große Lernräume, geringere Unterrichtsverpflichtung, moderne Technik zur Unterstützung, Anhebung des Verwaltungspersonals, Aufstockung der Ressourcen für Sozialarbeit und eine Gehaltszulage. Wenn die Arbeitsbedingungen stimmen, dann kommen auch die Bewerber*innen an Schulen des längeren gemeinsamen Lernens in Duisburg.