Die Bildungsgewerkschaft fordert umgehend mehr Ressourcen für besonders belastete Schulen, generell mehr qualifiziertes Personal und multiprofessionelle Teams sowie eine bessere Ausstattung von Schüler*innen und Lehrkräften mit digitalen Endgeräten.
„Die Mängelliste ist eklatant. Art und Weise der Wiederaufnahme des Unterrichts werden überwiegend schlecht beurteilt und es besteht ein großes Misstrauen unter den Lehrkräften. Dafür trägt die Landesregierung die volle Verantwortung. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, mit diesen Worten kommentierte GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern die Ergebnisse einer Befragung zwischen Ende Mai und Anfang Juni (27.5.-8.6.) unter den (rund 10.000) GEW-Mitgliedern an den Schulen der Sekundarstufe I (Hauptschule, Realschule, Sekundarschule, Gesamtschule und Förderschule) mit einer Rücklaufquote von fast 25 Prozent. Die Befragung fand also gut einen Monat nach der grundsätzlichen Wiederaufnahme des Schulbetriebs und knapp zwei Wochen nach der Öffnung für alle Schüler*innen im rollierenden System statt.
So habe immerhin bei knapp einem Fünftel der Befragten keine Begehung der Schule stattgefunden, um die Infektionsschutzmaßnahmen zu überprüfen. „Hier wurden die Räumlichkeiten nicht hinsichtlich einer möglichen Ansteckungsgefahr überprüft, enormes Defizit beim Infektionsschutz“, unterstrich die GEW-Landesvorsitzende. Was die vorgeschriebene Beteiligung des Lehrerrates bei den Vorbereitungen für den Infektions- und Hygieneschutz an den Schulen betrifft, gab ebenfalls ein Fünftel der Kolleg*innen an, dass der Lehrerrat überhaupt nicht angehört und beteiligt worden sei. Kommentar der GEW-Landesvorsitzenden: „Unsere Vermutung, dass Beteiligungsprozesse zum Teil zu Lasten des Gesundheitsschutzes der Lehrerkollegien ausgesetzt wurden, hat sich damit bestätigt. Das sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen.“
Insbesondere das Ergebnis der Frage nach der Unterstützung durch das Land NRW sei alarmierend. „Über die Hälfte der Befragten fühlen sich durch das Land hinsichtlich der neuen Unterrichts- und Lernsituation nicht unterstützt. Das betrifft mutmaßlich vor allem die Hilfestellungen beim online-gestützten Fernunterricht wie der Ausstattung, aber auch der Erreichbarkeit der Schüler*innen“, zog die GEW-Landesvorsitzende eine kritische Bilanz zu einem zentralen Punkt der Befragung. Korrespondierend zu diesem Befund kann nach Auffassung der GEW-Landesvorsitzenden auch ein weiteres Befragungsergebnis nicht überraschen. Maike Finnern: „Über 90% der Befragten sehen nach dem Unterrichtsbeginn, dass sich Bildungsbenachteiligung verstärkt hat. Die ohnehin schon viel zu starke Bedeutung der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolgt hat sich in der Corona-Zeit merklich verstärkt.“
Die Landesvorsitzende fasste die zentralen Forderungen ihrer Gewerkschaft in vier Punkten zusammen:
- Wir brauchen den angekündigten schulscharfen Sozialindex und die mit ihm verbundene Ressourcenverteilung so schnell wie möglich! Aus Sicht der GEW NRW wäre es klug eine Weiterentwicklung hin zu einem schulischen Belastungsindex anzustreben. Die Ergebnisse unterstreichen einmal mehr: Ungleiches muss ungleich behandelt werden.
- Auch im Zuge der Corona-Krise muss die Lehr- und Lernmittelfreiheit gelten! Digitale Arbeitsmöglichkeiten sind längst nicht für alle Schüler*innen gegeben. Die Bildungsbenachteiligung nimmt zu, die soziale Schere geht weiter auf. Die Landesregierung sollte die aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von 150 € zur Anschaffung digitaler Endgeräte mindestens in gleicher Höhe aufzustocken. Im Sinne der Lehr- und Lernmittelfreiheit müssen das Land und die Schulträger aus Sicht der GEW NRW grundsätzlich die entsprechenden Geräte für Lehrer*innen und Schüler*innen bereitstellen.
- Wir brauchen mehr multiprofessionelle Teams in den Schulen, um Schüler*innen mit Lerndefiziten und Schwächen gerecht werden zu können!
- Wir brauchen mehr Stellen an den Schulen mit qualifiziertem Personal. Studienplatzkapazitäten müssen erhöht und Arbeitsbedingungen entschieden verbessert werden!
Berthold Paschert, Pressesprecher GEW NRW